Damals - Wunder geschehen

Direkt zum Seiteninhalt

  Schuldlos Papierlos damals  

1. Zeitungsartikel 1999  pdf

2. Zeitungsartikel 1999  pdf

aus den Jahresberichten von Back Bone 1999 - 2001


Jahresbericht 1999  pdf

Über 30 Mobile Jugend(sozial)arbeiter_innen arbeiten in Wien mit jungen Menschen der unterschiedlichsten ethnischen Herkunft, die sie in ihren Lebenswelten (Parks, Lokale, öffentliche Treffpunkte,.... ) aufsuchen, Kontakte herstellen und Unterstützung anbieten.
 
Ein besonders dringendes Anliegen der Mobilen Jugendarbeit ist es, auf die triste und oft ausweglose Situation jener Jugendlichen hinzuweisen, die, obwohl in Österreich integriert, ohne Aufenthaltsberechtigung hier leben müssen.

....die Frist zum Leben versäumt
Angelika V., 19 Jahre alt, Wienerin mit serbischem Pass, kommt in Wien zwar ohne Probleme herum, aber nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Fahrscheinkontrolle könnte für sie die Abschiebung in ein ihr unbekanntes Land bedeuten.

Dieses Schicksal hat Baris K.., 18 Jahre alt, Wiener mit türkischen Pass, bereits ereilt. Anfang Jänner 1999 wurde er in sein “Heimatdorf” abgeschoben.

Beide sind an ihrer rechtlichen Situation schuldlos. Ihre Erziehungsberechtigten haben sich nicht um ein Visum für sie gekümmert. Sich persönlich darum zu bemühen ist Jugendlichen nicht erlaubt. Sie sind in diesen Belangen machtlos….

Diese Jugendlichen sind an ihrer rechtlichen Situation natürlich schuldlos. Oft verfügen sie aufgrund der Versäumnisse ihrer Eltern nicht über die notwendigen Genehmigungen.Aber ohne Aufenthaltsberechtigung und Arbeitsbewilligung sind sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Die jahrelange Ungewissheit über ihren Status zermürbt sie. Die ständige Angst vor Abschiebung hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen.

Gründe genug mit der bisherigen Praxis, für Einzelfälle zu intervenieren, Schluß zu machen und eine generelle Lösung zu fordern. So wurde im Herbst des Vorjahres (1998) von der Mobilen Jugendarbeit Wien eine Petition mit folgenden wichtigen Forderungen, gerichtet ans Innenministerium verabschiedet:
 
  1. Amnestie für integrierte, aber schuldlos illegal in      Österreich lebende Jugendliche und junge Erwachsene
  2. Aufenthaltsrecht für integrierte Jugendliche
  3. Unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt
  4. Ursachenbekämpfung (z.B.: Jugendliche nicht im      Familienvisum)
  5. Keine Abschiebung während laufender Verfahren
  6. Teilnahme einer/eines Jugendarbeiter_in am      Integrationsausschuss des Bundesministeriums für inneres
 Die gegenwärtige Gesetzeslage ist nicht im Interesse der Jugendlichen und kann somit auch nicht im Interesse der Gesellschaft sein.

Unterstützung der Petition auf breiter Basis
Unterstützt werden die Forderungen der Mobilen Jugendarbeiter_innen unter anderem von folgenden Einrichtungen und Privatpersonen: Johannes Seitner, Geschäftsführer des Wiener Intergrationsfonds, DR Jesionek, Präsident des Wiener Jugendgerichtshofes, Österreichischer Berufsverband Diplomierter Sozialarbeiter_innen, Österreichisches Kolpingwerk, Bundespolizeidirektion - Kommisariat Favoriten, Verein Projekte Intergrationshaus, GPA Jugend, Medienzentrum der Stadt Wien und vielen anderen…

Das Thema ist kein ”Minderheitenthema” - es geht uns alle an!
Immer mehr Organisationen erkennen die Notwendigkeit für illegalisierte Mitbürger_innen aufzutreten, die Gesetze in Fragen zu stellen und sich gegen die übliche Praxis der “Einzelfallsanierung” zu wehren.

Gespräche mit dem Innenministerium und auf Wiener Ebene sind nach wie vor im Gang
Am 8.Februar 1999 wurde eine Delegation der Mobilen Jugendarbeit - Back Bone, Back on Stage und Echo, zur Problematik “Papierlose” vom Innenminister empfangen. Die Petition sowie fünf konkrete Fälle von betroffenen Jugendlichen wurden überreicht und besprochen.

Ein weiteres Gespräch zum selben Thema, fand auf Wien-Ebene eine Woche später statt. In dieser Runde waren Vertreter des Innenministeriums, der Fremdenpolizei, der MA 20, des Amtes Jugend und Familie, des Büro Brauner und der MA 13, sowie Mobile Jugendarbeiter_innen.

Um die bereits erzielten Verhandlungsergebnisse mit dem Ministerium nachzubesprechen und zu konkretisieren wurde am 9.3.1999 ein Arbeitsgespräch mit dem Büro des Ministers anberaumt:
 
  • Ein Paket von Fällen papierloser Jugendlicher wird von Institutionen eingereicht und unter Ausnützung des Ermessensspielraumes “wohlwollend” geprüft.
  • Ein “Frühwarnsystem” soll dazu verhelfen, alle rechtlichen Möglichkeiten für betroffenen Jugendliche vol auszuschöpfen. Durch diesen verbesserten Informationsfluss sollen Abschiebungen und Härtefälle vermieden werden. Das namhaft machen von Ansprechpersonen im Innenministerium und bei der Fremdenpolizei für “Akutfälle” soll die Arbeitsbelastung und “lange Wege” minimieren.
  • Gesprächsbereitschaft zeigt BM Schlögl in Bezug auf eine Herauslösung Jugendlicher aus dem Familienvisum. Kids hätten so mehr Eigenständigkeit und Integrationsmöglichkeit.
Forderungen, die auf einen gesetzliche Änderung abzielen, wie etwa eine “Amnestie” papierloser Jugendlicher, wurden abgelehnt. Auch das Anliegen während laufender Verfahren (nach der 2. Instanz) nicht abzuschieben wurde zurückgewiesen.
Straffällig gewordene Jugendliche sowie junge Erwachsene haben innerhalb des Petitionspakts leider keine Chancen.

Darüber wird sicher noch verhandelt werden müssen. Tatsache ist, dass auf die Illegalität oft die Kriminalität folgt - Jugendliche sollten für den Verlust ihres Aufenthaltstitels nicht zweimal bestraft werden müssen.

Hotline für Papierlose Jugendliche - 0676 566 49 65
Seit 15.2.1999 gibt es auch eine Hotline für betroffene Kids. Bei einer Erstberatung wird über erforderliche, nächste Schritte informiert. Das Angebot der Hotline ist vorerst bis Mitte des Jahres 1999 geplant. Durchschnittlich drei “Fälle” rufen täglich bei der Hotline an, um sich über ihre Möglichkeiten zu erkundigen. Der Bedarf einer anonymen Beratungsstelle für Fragen bezüglich Aufenthaltsgenehmigungen ist also gegeben.

Erfolgreiche Kooperationen mit Medien und Institutionen brachten Sensibilisierung der Öffentlichkeit
Die mediale Unterstützung der Petition der Mobilen Jugendarbeiter_innen im Vorfeld des ersten Ministergespräches war enorm wichtig. Darüber hinaus wurde und wird dahingehend gearbeitet eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit herzustellen.
Sowohl Tages- als auch Wochenzeitungen, der ORF und Radiostationen berichten über die Probleme der betroffenen Kids. Vorrangig ist dabei die positive Darstellung der Jugendlichen, die schuldlos an ihrer rechtlichen Status sind. Die gegenwärtigen Gesetze versetzen sogar Juristen in Verzweiflung. Permanente Einzelfallbehandlungen sind keine Lösung für das Problem - nur eine Paketlösung ist anstrebenswert.
Massive Unterstützung von Seiten des Vereins Wiener Jugendzentren der Stadt Wien ist gewährleistet, der zu einer Gesetzesänderung auffordert.
Auch in Wiener Landtag wurde das Thema papierlose Jugendliche im Februar behandelt. Ein Beschluss (Resolutions-)Antrag wurde verabschiedet, in dem dem zuständigen Minister empfohlen wird , integrierte Jugendliche zu legalisieren.

Papierlose, also Illegalisierte werden vermehrt zum Thema
Die Petitionsgruppe der Mobilen Jugendarbeit arbeitet unvermindert weiter. Mehrere Jugendprojekte haben sich bereits angeschlossen. Eine Welle der Unterstützung ist bemerkbar - immer mehr Projekte wollen sich diesbezüglich engagieren.
Die Entstehung der Initiative “Kein Mensch ist illegal”, an der sich bereits an die zwanzig Projekte beteiligen, ist ein nächster Vorstoß in Richtung Sensibilisierung der Öffentlichkeit und einer Änderung der Gesetze.
Es ist an der Zeit gemeinsam aufzuzeigen was falsch läuft, sich gegen Rassismus zu wehren und solidarisch aufzutreten. Vielleicht ist die Bewegung von, für und mit Papierlosen ein Start zu einer politischen Wende.

Die Aufrechterhaltung aller ursprünglichen Forderungen der Petition “Jugendliche schuldlos ohne Aufenthaltsrecht” ist selbstverständlich.

Jahresbericht 2000  pdf

Petition “Jugendliche schuldlos ohne Aufenthaltsrecht”
Die Petitionsgruppe der Mobilen Jugendarbeit hat aufgrund der neuen Regierungsbildung ihre Arbeit kurzfristig eingeschränkt, um abzuklären in welcher Form fortgesetzt werden kann und soll.

Mittlerweile wurden Gespräche mit dem Kabinett Minister Strasser geführt. Von Seiten des Innenministeriums gibt es weiterhin die Zusicherung der Sanierung von Fällen im Einzelfall. Politische Forderungen wurden nicht diskutiert. Die Forderung nach Sonderquoten für papierlose, integrierte Jugendliche wurde abgelehnt.

Durch die Verlagerung von “Ausländeragenden” vom Sozialministerium zum Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, müssen Gespräche mit Minister Bartenstein geführt werden. Ein Termin, seit geraumer Zeit urgiert, ist bis dato ausständig.

Massiv verstärkt wurde die Arbeit der Petitionsgruppe auf Bundesebene. In Form von Parteiengesprächen mit allen vertretenen Fraktionen wird versucht weiterhin eine Sensibilisierung für die Problematik der Papierlosen zu erzielen. Auf eine generelle Lösung mit begleitender “Ursachenbekämpfung” wird gedrängt.

Die Petition “Jugendliche schuldlos ohne Aufenthaltsrecht” wird in den Petitionsausschuß des Parlaments eingebracht werden.

Gespräch mit Kabinett Minister Strasser
Am 4. Mai 2000 wurde die Petitionsgruppe der Mobilen Jugendarbeit vom Kabinett Strasser empfangen. Durch den Kabinettsmitarbeiter Mag. Vogl wurde eine generelle Lösung abgelehnt, aber die Bereitschaft geäußert, die Einzelfalllösungen fortzusetzen. Bezüglich der Forderungen wurde auf Studien verweisen, die das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zur Klärung des Rechtsstatus von Ausländer_innen in Auftrag gegeben ist. Die Ergebnisse sollen Grundlage für alle weiteren Diskussionen sein. Ein Termin mit Minister Strasser wurde aufgrund unserer Beharrlichkeit in Aussicht gestellt. Der mögliche Termin im Juli 2000 wurde aber nicht gewährt. Noch immer wird der Termin eingefordert, jedoch ohne Erfolg.

Parteiengespräche auf Bundesebene
Um den Stellenwert und die Wichtigkeit der Petition zu erhalten und zu erhöhen ist die Bearbeitung der enthaltenen Forderungen im Rahmen der bundespolitischen Arbeit im Parlament extrem wichtig. Gespräche mit den Menschenrechts- Sprecher_innen der Parteien in den Parlamentsklubs haben schon begonnen. Bisher wurden Gespräche mit Herrn NR Abg Elmauer (ÖVP), mit Herrn NR Abg Posch (SPÖ) und mit Frau NR Abg Stoisits (Grünr) geführt. Dabei entstand der Eindruck, dass eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Problematik vorhanden ist. Ein Termin beim Menschenrechtssprecher der FPÖ, Harald Ofner, konnte nicht vereinbart werden.

Überreichung der Petition an den Präsidenten des Nationalrats
Ein großes Vorhaben 2001 ist die Einbringung der Petition in den dafür zuständigen Ausschuss des Parlaments. Diesbezüglich wurde der Kontakt mit dem Büro des Präsidenten des Nationalrates Heinz Fischer aufgenommen. Die Übergabe der Petition soll direkt an Herrn Fischer erfolgen.

“Wienrunde”
Die Wienrunde - bestehend aus Vertreter_innen relevanter Magistratsabteilungen, des Innenministeriums, des AMS, Stadtratsbüros Brauner - fand am 29. Juni 2000 statt. Das Amt für Jugend und Familie (MA 11) war bereits enger in die Arbeit eingebunden. In der Wienrunde wurde und wird versucht, eine kräftige Unterstützung für die Forderungen der Mobilen Jugendarbeit zu erreichen. Ein gemeinsames Statement sollte noch im Sommer ausgearbeitet werden. Durch die Umstrukturierungen in den Bundesministerien war eine Einigung mit dem Innenministerium bis Anfang 2001 nicht möglich. Bis Frühling sollte das gemeinsame Statement aber verabschiedet werden.

Anzahl der Betroffenen wird nicht geringer
Laut Angaben der Caritas warten etliche Fälle auf eine Lösung. Auch über die seit Februar 1999 eingerichtete Hotline, die Montag - Freitag von 12h - 17h erreichbar ist, kommen immer neue Falle herein. Die Anzahl der Betroffenen ist nach wie vor nicht wirklich einschätzbar. Genauere Zahlen der Betroffenen könnten jedoch die Türe  zu einer generellen Lösung öffnen. Im Rahmen der Gespräche mit Minister Strasser wird die Übernahmen der Hotline angeregt oder die Errichtung einer neuen Hotline besprochen, bei der sich Betroffenen anonym melden können. Dass das Problem ohne effiziente Gesetzesänderung nicht gelöst werden kann, ist eine Tatsache. Dem Rätselraten wie viele sogenannte Illegale in österreich aufhältig sind, muss ein Ende gesetzt werden.
 
Das Interesse der Petitionsgruppe gilt aber vor allem einer raschen Lösung für Jugendliche.

Visionale
Im Rahmen der Visionale, eine Messe der Initiative und Organisation der Zivilgesellschaft, präsentierten wir am 30. September 2000 die Anliegen der Petition. Neben einem aktionistischen Rollenspiel, der Kunstwerkstatt von Back on Stage 16/17, einer Break-Dance Performance von Jugendlichen, führten wir auch das Video “Papierlos?” vor.

Gerade diese innovativen Präsentationsformen, die versuchen Forderungen abseits der klassischen Informationskultur den Besucher_innen näherzubringen, zeichnet die Mobile Jugendarbeit aus.

Videoprojekt “Papierlos?”
 Das Video “Papierlos?” entstand bei einem Projekt, bei dem Amina Hanke gemeinsam mit Jugendlichen Interviews machte, welche nicht den Zweck hatten, Informationen zu sammeln, sondern den Interviewten neue Sichtweisen zu vermitteln. Spontan beschlossen wir, das Material zu einem Kurzfilm zu schneiden. Diese Form der Bildinformation eröffnet im Rezipienten neue Fragestellungen und führt somit unmittelbar zur Erfahrung der Problemstellung. Im Rahmen der Diagonale 2001 in Graz wurde diese Art von politischer Medienkunst ein eigener Rahmen gesetzt, wobei “Papierlos?” besonders gewürdigt wurde.

Jahresbericht 2001  

Hotline läuft weiter
Über die seit Februar 1999 eingerichtete Hotline die Montag bis Freitag von 12h - 17h erreichbar ist, kommen immer neue Fälle herein. Die Betreuung der Hotline und die Aufarbeitung der Fälle konnte an Gabriele Sommer von der Caritas übertragen werden.
Zurück zum Seiteninhalt